Das Klagelied der werdenden Schamanin

1996 war es, als meine schamanische Initiation begann. Der gegenwärtige Vollmond holt meine Erinnerung an die bisher schwerste Zeit meines Lebens hervor. Ja, es hat sich gelohnt diesen Weg zu gehen. Ich habe alles verloren, doch dann alles bekommen: Die Wahrheit die ich bin.
Ich spüre, dass gerade viele vor der Schwelle stehen, die auf den Weg zu sich selbst führt.
Ich möchte dir Mut machen, den ersten Schritt zu gehen. Der Weg der Selbstentdeckung und Selbstentfaltung ist ein einziges Lebensabenteuer, das bleibt. Er beschenkt dich reich mit Lebenserfahrungen die zu Werten werden und dich eine Haltung entwickeln lassen, die tief in bedingungsloser Liebe gründet. Sie durchwirkt dich und dein Leben, schenkt sich her an die, die sie zu empfangen bereit sind – heilsam, tröstend, wundersam und zauberhaft. Lüge, Täuschung, Illusion werden durchschaut – du wirst zur Seherin, eine die Wahrheit sieht, sie ausspricht. Du lernst zu erkennen, wann es die richtige Zeit ist, du am rechten Ort mit denen bist, die bereit sind die Macht und die Kraft des wahrhaft gesprochenen Wortes für sich als heilsames Wandlungselixier ihrer Transformationsprozesse zu nutzen.
Ich bin dankbar damals bei Kim Barkmann „De Wise Fru“ in ihrem Bötingzentrum im Wendland eine Schwellenhelferin gefunden zu haben, die mich lehrte die ersten Schritte zu gehen. Ihre Lehre hat sich in all den Jahren durch mich immer weiter entfaltet und tut es immer noch. Sie hat die richtigen Samenkörner genau dort platziert, wo innere Leere darauf wartete gefüllt zu werden. Heute ist daraus Erfüllung geworden, ein Füllhorn göttlicher Kraft die mein Herz randvoll überlaufen lässt.

Das Klagelied der werdenden Schamanin

Ich bin gefallen.

Tiefer, als ich je zu sinken wagte.

Nicht in den Tod – aber auch nicht ins Leben.

Ich war dazwischen.

Zwischen Atemzügen, zwischen Gedanken, zwischen allem, was ich kannte.

Ich hörte das alte Lied, das nur jene hören, die alles verloren haben:

das Klagelied der werdenden Schamanin.

Es sang durch meine Knochen.

Nicht mit Worten, sondern mit Rissen.

Es sang durch meine Adern, nicht mit Klang, sondern mit Schmerz.

Es sang durch meine Seele – wie ein Nebel, der mich verschlang.

Ich war nichts mehr.

Kein Name, kein Gesicht, keine Gewissheit.

Und doch war da etwas.

Etwas, das blieb, als alles andere ging.

Ein Flackern. Ein Glimmen.

Ein uraltes Feuer, das unter der Asche meines zerfallenen Ichs weiterbrannte.

Und ich begriff:

Dies ist der Weg.

Nicht weg vom Schmerz, sondern hindurch.

Nicht über die Schatten, sondern durch sie hindurchsteigen – nackt, barfuß, bereit.

Die Ahnen kamen.

Sie brachten keine Antworten, nur Fragen.

Die Tiere kamen.

Sie brachten keine Heilung, nur Spiegel.

Die Dunkelheit kam.

Sie brachte kein Ende, nur einen Anfang.

Ich habe geschrien.

Ich habe gefleht.

Ich habe geweint, bis selbst das Weinen mich verließ.

Da erst hörte ich die Stimme unter dem Klagelied:

die Stimme der Erde in meinem Bauch,

die Stimme der Flüsse in meinen Tränen,

die Stimme der Sterne in meinem zerbrochenen Herzen.

Und dann verstand ich:

Nicht ich wurde zerstört –

nur die, die ich glaubte sein zu müssen.

Die Masken fielen.

Die Illusionen verbrannten.

Die Wunden sprachen in meiner Muttersprache – der Sprache des Schmerzes,

aus der Weisheit geboren wird.

Ich bin eine werdende Schamanin.

Nicht, weil ich gewählt wurde.

Sondern, weil ich überlebt habe.

Weil ich untergegangen bin und wieder aufgetaucht –

nicht als die Gleiche,

sondern als jene, die mit dem Tod getanzt hat

und mit dem Leben zurückgekehrt ist.

Ich trage das Klagelied noch in mir.

Doch es hat sich gewandelt.

Es ist nun ein Gebet.

Ein Ruf.

Ein Versprechen.

An mich.

An alle, die den Ruf hören.

An alle, die fallen und glauben, sie gehen verloren.

Du gehst nicht verloren.

Du wirst geformt.

Und aus deinem Schmerz

wächst deine Medizin.

Und aus deinem Schweigen

wird Gesang.

Und aus deinem Klagelied

entsteht deine Stimme.

Die Stimme

der Schamanin

in dir.

2013 beim Forum Erleuchtung in Berlin

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