Der Medicine Walk der Weisen Frauen
Auf meinem Medicinewalk kreuzten sich Baumstämme in Form der Rune Nauthiz. Ich krabbelte hindurch, gespannt welche Medizin ich hinter der Rune finden würde. Das „Dahinter“ symbolisiert für mich den sich eröffnenden Heilraum, das was sich als Zukunftsvision zeigt, wenn die Not gewendet ist. Ich kam an ein großes Feld voller Sumpfschwertlilien, die mir ihre Heilvision und Heilinformation offenbarten. Ich hielt in Trance versunken mit den Spirits Zwiesprache. Ein aufkommender kühler Wind richtete meinen Blick auf die hinter dem Deich aufziehenden dunklen Regenwolken. Sofort verabschiedete ich mich von den Pflanzenwesen, machte mich auf den Rückweg. Vor meinen Füßen lag ein Teil von einer Uhr. Die Uhrzeit blinkte 15 Minuten vor der realen Zeit. Ich bedankte mich für die geschenkte Zeit, kam rechtzeitig ins Trockene.
Die Not klatschnass zu werden, war gewendet.
Thanks Spirits !

In der schamanischen Tradition unterweisen uns die weisen Frauen darin, den Pfad der Heilung und Erkenntnis durch die Verbundenheit mit der Natur zu finden. Der Medicine Walk der weisen Frauen ist ein ritueller Spaziergang, bei dem wir uns bewusst aus der Hast des Alltags lösen, um Körper, Geist und Herz in Einklang mit der Erde und unseren Ahnen zu bringen. Dieser Weg ist kein gewöhnlicher Spaziergang, sondern eine heilige Pilgerreise nach innen und außen zugleich, bei der jede Pflanze, jeder Stein und jedes Zwitschern eines Vogels zu einem Lehrer werden kann.
1. Die Orientierung des Herzens
Bevor der Medicine Walk beginnt, nehmen wir uns einen Moment, um in Stille zu verweilen. Die weisen Frauen lehren, dass das Herz unser innerer Kompass ist. Atme tief ein und aus, fühle den Boden unter deinen Füßen, spüre die Energie der Erde, die dich trägt. Erlaube deinem Geist, von seinen Gedanken Abstand zu gewinnen, und lausche auf das leise Flüstern deiner Intuition. Diese stille Einkehr ist die Grundlage für jede Reise: Wer sein eigenes Herz nicht kennt, wird die Weisheit der Welt nicht empfangen können.
2. Ritualgegenstände und Vorbereitung
Ein Medicine Walk kann allein mit deinem bloßen Blick für die Natur stattfinden, doch oft begleiten uns ein paar symbolträchtige Gegenstände, die uns daran erinnern, warum wir diesen Weg gehen:
- Ein kleiner Rucksack oder Beutel: Darin sammeln wir Kräuter, Rindenstücke oder Federfunde, die uns später im Ritual dienen.
- Ein Lieblings-Tuch oder ein Talisman: Ein Stoffstück oder Amulett, geweiht von einer älteren Begleiterin, kann als Schutz dienen.
- Ein Notizbuch und Stift: Um Impulse, Visionen oder Erkenntnisse festzuhalten, sodass sie nicht im Fluss der Zeit verloren gehen.
- Ein kleines Fläschchen Wasser: Zum Räuchern, für Segnungen oder als Erinnerungsanker an die Lebenskraft, die fließt.
Lege all diese Gegenstände vor dem Aufbruch an einen speziellen Platz, vielleicht auf ein kleines Altärchen im Haus oder unter einem Baum im Garten. So werden sie von der Erde, dem Wind und den Ahnen gesegnet.
3. Die ersten Schritte im heiligen Raum

Beginne deinen Walk in einem Waldstück, an einem Wiesenrand oder an einem stillen Ufer. Achte darauf, dass du nicht hetzt, sondern jeden Schritt bewusst setzt. Jeder Schritt ist gleichzeitig ein Gebet: Ein Gebet, die Schwere loszulassen, ein Gebet, die eigenen Fußspuren in Dankbarkeit zu hinterlassen.
- Barfußlaufen (wenn möglich): Die Füße direkt mit dem Boden in Kontakt zu bringen, ist wie ein Dialog mit der Mutter Erde. Jede Wurzel und jeder Kieselstein sendet Botschaften – mal sanft, mal fordernd.
- Achtsames Atmen: Atme mit jedem Schritt tief in den Bauch ein und langsam wieder aus. Lasse mit dem Ausatmen alle Ängste, Sorgen und Zweifel los.
- Augen der Dankbarkeit: Schaue nicht wie ein Tourist, sondern wie ein Vertrauter, der die Geheimnisse des Ortes kennt. Jeder Baum, jeder Strauch wird zum Verbündeten.
4. Heilpflanzen und ihre Botschaften

Während des Walks halte Ausschau nach Kräutern, Blumen oder Bäumen, die dich ansprechen. In der schamanischen Tradition unterrichten die weisen Frauen uns, dass jede Pflanze einen Geist birgt, der uns lehren möchte. Einige Beispiele:
- Wilde Minze: Wenn du ihren Duft erspürst, schenkt sie Klarheit und Frische für den Geist. Halte ein Blatt in die Hand, schließe die Augen und lausche, was sie dir sagen möchte.
- Beifuß: Als Schutzkraut rankt sich der starke, balsamische Geruch um dein Energiefeld, um negative Eindrücke fernzuhalten. Nimm ein Bündel, wenn es dir angeboten wird, und weihe es in Dankbarkeit.
- Johanniskraut: Sein Gelb leuchtet wie die Seele der Sonne. Sitzt du in einem kleinen Lichtfleck, sammle vorsichtig ein paar Blüten, um später im Haus ein Öl zu bereiten, das dein Herz erhellt.
Notiere dir jede Pflanze, die du findest, und schreibe auf, was dich an ihr fasziniert. Vielleicht hörst du in dir eine leise Stimme, die sagt: „Lerne von meiner Stärke“, oder „Ich lehre dich, auf dein Herz zu hören.“ Jede Entdeckung ist gleichzeitig eine Initiation in das tiefe Wissen der Natur.
5. Begegnung mit den Ahnen und den Geisthelfern
Auf vielen Medicine Walks führen die schamanischen weisen Frauen Rituale durch, um die Präsenz der Ahnen, der verstorbenen Großmütter, Urmütter und alle Frauen, die im Gewebe der Zeit gewoben sind, einzuladen. Das kann geschehen durch:
- Ein leises, gesungenes Lied in alter Sprache oder eine Melodie, die deine Vorfahrinnen einst sangen.
- Räucherungen mit Beifuß, Weihrauch oder Salbei, um den Raum zu reinigen und die Schranke zwischen den Welten zu öffnen.
- Eine stille Meditation, bei der du dich hinsetzt, die Augen schließt und dir vorstellst, wie das Licht deiner Großmütter in dich hineinströmt, dich wärmt und dich aufrichtet.
Währenddessen kannst du in die Bäume flüstern: „Liebe Ahnen, zeigt mir euren Weg.“ Oder du platzierst ein kleines Geschenk – eine Blume, ein gefundener Stein – als symbolische Gabe an die unsichtbaren Begleiter.
6. Der Kreis der Erkenntnis
Irgendwann kehrst du zum Ausgangspunkt zurück, doch es ist nicht dieselbe Person. Der Weg hat Spuren gelegt, Schleier gelüftet, Fragen beantwortet und neue Fragen gesät. Bevor du den Medicine Walk endgültig schließt, schließe mit einer kleinen Zeremonie:
- Dankgebet an die Elemente: Richte deine Hände gen Himmel (für den Geist und die Ahnen), gen Erde (für die Wurzeln deiner Herkunft), gen Osten (für die aufgehende Sonne), gen Westen (für den fließenden Fluss deiner Träume), gen Norden (für die Weisheit der Stille), gen Süden (für das Feuer des Lebens).
- Segnung des Sammelguts: Halte die Pflanzen und gefundenen Gegenstände in die Luft, atme tief und sprich: „Möge euer Geist heilen, möge euer Wesen lehren.“
- Verbrenne einen kleinen Teil (z. B. ein Blatt Beifuß oder ein Kräuterbüschel) als Opfergabe, sodass der Rauch die Erde, den Himmel und die Geisterwelt verbindet.
- Schreibe einen Impulsaufsatz in dein Notizbuch: Drei Sätze, die beschreiben, was du heute empfangen hast. Drei Wünsche, die du mit auf den Weg nimmst. Drei Gebete, die du aussprichst für dich selbst, deine Familie und die Welt.
7. Die Integration in den Alltag
Ein einmaliger Medicine Walk kann bereits transformierend wirken, doch die wahren Lehren entfalten sich, wenn du die Erfahrungen in den Alltag integrierst. Die weisen Frauen empfehlen:
- Tägliche kurze Walks: Suche dir jeden Morgen einen Moment, stehe barfuß im Garten oder neben dem offenen Fenster, und führe eine Mini-Version deines Medicine Walks durch. Atme bewusst und danke den Elementen.
- Pflege der gefundenen Pflanzen: Einige Kräuter, die du gesammelt hast, kannst du zu Tinkturen oder Tees verarbeiten. Gewähre ihnen Ehre, indem du sie achtsam zubereitest.
- Rituelle Erinnerung: Hänge dir eine Feder an die Wand, einen Stein in die Nähe deines Schreibplatzes oder bewahre einen getrockneten Zweig als ständige Mahnung an den Weg, den du gegangen bist. So bleibt das Tor zu deinem inneren Tempel immer einen Spaltbreit geöffnet.
Der Medicine Walk der weisen Frauen ist weit mehr als ein Ritual – er ist ein Versprechen: das Versprechen, jeden Tag aufs Neue die Medizin der Erde zu suchen, die Medizin der Stille, die Medizin des Herzens. Wenn wir im Gleichklang mit den Rhythmen der Natur wandeln, öffnen wir uns für die uralten Gesänge unserer Ahnen und für die Weisheit, die in jeder Blume und jedem Tropfen Tau schlummert. Möge dieser Weg dich lehren, die Spuren deiner eigenen Seele zu lesen und die heilende Kraft der Erde Küste für Küste in deinem Leben fließen zu lassen.
Der Medicine Walk endet nie – er ist der ewige Tanz zwischen dir und der Welt.
